Aktivistische Investoren – zwischen Powerplay und Partnerschaft

Aktivistische Investoren – zwischen Powerplay und Partnerschaft (Copyright: rawpixel.com/shutterstock)

Lange vor allem ein angelsächsisches Phänomen, haben Kampagnen aktivistischer Investoren in den vergangenen Jahren auch in Kontinentaleuropa Fahrt aufgenommen. Dabei sorgen einige Akteure routiniert für Theaterdonner, während das Gros hinter den Kulissen die Zusammenarbeit sucht.

Machen wir uns nichts vor, der aktivistische Investor hatte gerade in Deutschland einen denkbar schlechten Einstand. Vor der sogenannten Heuschreckendebatte Mitte der Nullerjahre weithin unbekannt, galten diese Marktteilnehmer danach als Inbegriff des externen Aggressors, der rücksichtlos sein Partikularinteresse verfolgt, nämlich in kürzester Zeit die angepeilte Rendite realisieren, um sich umgehend das nächste Ziel vorzuknöpfen. Allein: Während dieses Bild schon damals nicht passte, lässt es sich mit der Realität heute erst recht nicht in Deckung bringen.

Hauptaufhänger, um die Materie auf die griffige Formel zu reduzieren, sind die öffentlichen Kampagnen, betrieben in erster Linie von US-Beteiligungsgesellschaften. In der Tradition der Corporate Raiders der 1980er Jahre suchen sie dabei – für den konfliktscheuen deutschen Diskurs ungewohnt direkt – die offene Konfrontation mit der Unternehmensführung, um durch martialisches Auftreten maximale Aufmerksamkeit zu erregen. So attestiert beispielsweise das New Yorker Branchen-Urgestein Guy Wyser-Pratte in seinem offenen Brief von 2018 an die familiengeführte Bremer OHB-Gruppe den Hanseaten „die Führungsstruktur einer Feudalaristokratie, mit Vasallen, die ihrem Grundherrn zu Diensten sind“.

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Brachial-Rhetorik soll Aktionäre aufrütteln

Sinn und Zweck der Brachial-Rhetorik: Die etalierten Aktionäre aufrütteln, sie offen für Bündnisse machen, um dann gemeinsam die erhobenen Forderungen durchzusetzen. Prominentestes Beispiel der jüngeren Geschichte ist der US-Finanzinvestor Cerberus, benannt nach dem Höllenhund der griechischen Mythologie, und sein Engagement bei der Commerzbank. Schon seit 2017 an Bord, hält man etwa 5 Prozent der Anteile und ist damit größter Aktionär nach dem Bund.

Mitte 2020 ging dann wieder einmal eines dieser garstigen Schreiben in Frankfurt ein, in dem hohe Kosten, falsche Strategie und Untätigkeit der Commerzbank-Verantwortlichen kritisiert wurden. Drei Wochen später nahmen CEO Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann ihren Hut. Auch wenn das Bundesfinanzministerium dementiert, gehen Beobachter doch fest von einer Absprache zwischen Bund und Cerberus aus.


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Der Fall steht damit exemplarisch für eine Entwicklung, die sich in den USA bereits vollzogen hat. Denn raues Gebaren mancher Adresse hin oder her, aktivistische Investoren haben sich den regionalen Gegebenheiten hierzulande längst angepasst und sind mittlerweile auch in Deutschland als vollwertige Player etabliert. Tatsächlich bilden die lautstarken Akteure mit ihren weithin sichtbaren Kampagnen bloß die Spitze des Eisbergs. Der Großteil gerade der in Europa ansässigen aktivistischen Investoren vermeidet einer Analyse der Boston Consulting Group zufolge Schaukämpfe, betont seine langfristige Anlagestrategie und gilt als grundsätzlich konstruktiv und kooperationswillig, wie etwa die Investmentgesellschaft Cevian, die den schwedischen Automobilzulieferer Autoliv im Rahmen eines Kooperationsvertrages unterstützt.


Auf diese Weise haben Aktivisten im Zuge der weltweit starken Zunahme an Kampagnen in den vergangenen Jahren auch in Europa Fuß gefasst. So ist die Zahl aktivistischer Kampagnen in Europa dem Analyse-Unternehmen Insightia zufolge zwischen 2010 und 2015 um 126 Prozent gestiegen. Zwar fand das Hauptgeschehen der weltweit insgesamt knapp 600 Kampagnen demnach im bisherigen Spitzenjahr 2018 mit 293 noch immer in den USA statt, Gesamt-Europa verzeichnete im selben Zeitraum aber immerhin schon 124 davon. Die wirkliche Zahl dürfte indes höher liegen, da nicht alle Anteilskäufe die Schwelle zur Meldepflicht überschreiten oder Forderungen öffentlich gemacht werden. Obwohl die Aktivitäten im Zuge der Corona-Krise zuletzt insgesamt etwas zurückgegangen sind, rechnen Beobachter angesichts des reifen US-Marktes damit, dass der Anteil Europas künftig weiter zunehmen wird.


Unternehmen im Fokus sind oft Konglomerate im Wandel mit unterdurchschnittlicher Renditeerwartung, besonders im Vergleich zu spezialisierten Wettbewerbern, eine Situation aktuell vorzufinden etwa im Automobilsektor oder der Energiewirtschaft. Die Forderungen nach renditewirksamen Veränderungen beziehen sich zumeist auf neue Köpfe für Vorstand und Aufsichtsrat, Änderungen an der Unternehmensstrategie oder gleich den Verkauf ganzer Teile des Unternehmens.


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Dabei bescheinigen laut Boston Consulting Group inzwischen nach früheren Berührungsängsten auch klassische Investoren den Aktivisten ein gutes Gespür für die Werttreiber eines Unternehmens: Mehr als die Hälfte der Befragten begrüßte schon 2018 den Einstieg von Aktivisten, während sich ganze 70 Prozent davon positiven Einfluss auf Unternehmensstrategie und Kostenstruktur versprachen.

Mit ihrem Tun sind die ursprünglichen Aktivisten indes schon lange nicht mehr unter sich, im Gegenteil: Denn egal ob unter dem Label Shareholder Activism, Active Ownership oder Shareholder Engagement – aktives Beteiligungsmanagement ist mittlerweile so sehr im Mainstream angekommen, dass die Zeitschrift BOARD schon 2017 feststellte, es sei heute ein Verhalten, keine Investorenklasse mehr.

Dementsprechend unterhalten neben Akteuren wie Pensionsfonds oder Private Equity-Gesellschaften vor allem große Vermögensverwalter wie Blackrock oder die DWS längst eigene Teams, die sich um die aggregierten Interessen der Anleger kümmern. Gerade global tätige Vermögensverwalter sind dabei durch ihre schiere Größe zu Plattformen avanciert, zu zentralen Anlaufstationen, die Forderungen bündeln und etwa schon im Vorfeld Erfolgschancen ausloten.

So ist ein neuer, regelmäßiger Dialog zwischen den Akteuren entstanden, bei dem sich erfreulicherweise alle Beteiligten bei ihren Forderungen immer stärker auf einen gemeinsamen Nenner verständigen können, nämlich – befeuert von regulatorischer Seite ebenso wie unter dem Eindruck des Klimawandels – Nachhaltigkeit, ESG & Co. Eine Entwicklung, die Mut machen sollte.

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2. - 4. Activist Insight/Insightia H12021

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